ERP-Auswahl in der Prozessindustrie: In 7 Schritten zum passenden ERP-System

Das ERP-System ist das Herzstück eines Unternehmens – besonders in der Prozessindustrie, in der regulatorische Komplexität und hohe Qualitätsstandards den Arbeitsalltag bestimmen. Deshalb ist die Wahl einer neuen ERP-Lösung eine entscheidende Weichenstellung für die Zukunft Ihres Unternehmens. Wir zeigen Ihnen, wie Sie Schritt für Schritt die passende ERP-Lösung finden und Ihre digitale Transformation mit System vorantreiben.

1. Definition von Zielen und Analyse des Ist-Zustands

Gehen Sie mit einem klaren Fokus in die ERP-Auswahl und definieren Sie strategische Ziele. Möchten Sie Ineffizienzen in zentralen Prozessen auflösen? Transparenz gewinnen? Flexibler agieren können? Optimale Bedingungen für geplantes Wachstum schaffen? Indem Sie Ihre Ziele festlegen und an messbare Key Performance Indicators knüpfen, legen Sie die Basis, um den Projekterfolg später objektiv bewerten zu können.

In unserem Artikel „Wann wird es Zeit für den ERP-Wechsel“ finden Sie Hinweise, wann ein Wechsel unbedingt empfehlenswert ist.

Nach der Zieldefinition folgt die Analyse des Ist-Zustands: Dokumentieren Sie bestehende Prozesse und lassen Sie sie auf Schwachstellen prüfen. Führen Sie umfassende Gespräche mit Key Usern der Fachabteilungen. Welche Hürden erleben sie im Arbeitsalltag, was sind ihre Wünsche an ein neues ERP-System? Die so ermittelten Optimierungspotenziale sind entscheidend, um später ein passgenaues System auszuwählen.

2. Erstellen von Anforderungskatalog und Lastenheft

Die Ziele sind klar und die Prozesse dokumentiert? Dann geht es jetzt darum, die gesammelten Anforderungen in strukturierte Dokumente zu überführen – als Basis für die Produktbewertung und Anbieterauswahl.

Das Projektteam erstellt zunächst einen Anforderungskatalog, der alle funktionalen und nicht-funktionalen Anforderungen bündelt. Hier fließen sowohl individuelle Wünsche von Fachabteilungen als auch übergeordnete Geschäftsziele und externe Anforderungen sowie Auflagen ein. Das Dokument bildet die Basis für interne Abstimmungen zur ERP-Auswahl. Ist ein Konsens erreicht, sollten die Anforderungen priorisiert werden, in Muss- und Kann-Anforderungen oder feinere Abstufungen.

Das Lastenheft kommuniziert die Inhalte des Anforderungskatalogs an potenzielle Anbieter und erfüllt bestimmte formale Voraussetzungen. Es beschreibt neben den Anforderungen auch aktuelle Prozesse und Erwartungen. Unternehmen der Prozessindustrie sollten darauf achten, branchenspezifischen Anforderungen so detailliert wie nur möglich zu formulieren. Denn nicht jeder ERP-Hersteller ist in der Lage, diese auch zu bedienen.

3. Marktrecherche und Vorauswahl potenzieller ERP-Anbieter

Ist das Lastenheft erstellt, beginnt die Recherche nach geeigneten ERP-Systemen. Der Markt ist mittlerweile riesig. Gehen Sie daher systematisch vor und sammeln Sie im ersten Schritt in einer Longlist alle potenziell geeigneten ERP-Anbieter.

Ausgangspunkt für die Marktrecherche können Software-Vergleichsportale, Websites von Herstellern, Online-Branchenportale und Fachmagazine sein. Nicht zu unterschätzen sind persönliche Empfehlungen und unabhängige Beratungen, insbesondere, wenn diese sich auf Ihre Branche spezialisiert haben.

Wichtig: Achten Sie nicht nur auf den Funktionsumfang der ERP-Systeme, sondern betrachten Sie auch die Branchenerfahrung und Kundenstruktur der Anbieter. Sie sollten zu Ihrem eigenen Profil passen.

4. Auswahl der Anbieter

Haben Sie Ihre Longlist erstellt, senden Sie Ihr Lastenheft zu ausgewählten ERP-Herstellern mit der Bitte um strukturierte Rückmeldung. Dabei sollten die Anbieter nicht nur erklären, ob sie Anforderungen erfüllen können, sondern konkrete Umsetzungsvorschläge machen.

Werten Sie die Rückmeldungen systematisch aus, zum Beispiel mithilfe einer Vergleichsmatrix, in der Sie Funktionsumfang, Support und alle für Sie relevanten Faktoren gegenüberstellen. Erarbeiten Sie auf Basis des Vergleichs eine Shortlist für Ihre ERP-Auswahl mit Top-Kandidaten, deren Produkte Sie sich näher ansehen möchten.

Nutzen Sie die Angebote der Hersteller zu Live-Demos und Workshops, um sich mit den Möglichkeiten der ERP-Systeme vertraut zu machen. Binden Sie hierbei unbedingt Ihre Fachabteilungen ein, um Usability und Funktionen von späteren Anwendern bewerten zu lassen und kritische Rückfragen stellen zu können.

5. Referenzbesuche

In der Theorie klingen viele ERP-Systeme großartig, das muss aber nichts über die Praxiserfahrung von Anwendern aussagen. Deshalb sollte der Austausch mit Referenzkunden Teil jeden ERP-Auswahlprozesses sein.

Einen ersten Eindruck vermitteln bereits Success Stories, die viele EPR-Hersteller auf ihrer Website veröffentlichen. Suchen Sie gezielt nach Projekten aus Ihrer Branche mit ähnlichen Anforderungen. Fragen Sie den Anbieter, ob ein persönlicher Kontakt zu relevanten Kunden möglich ist. Viele werden dies unterstützen.

Während eines Referenzbesuchs können Sie Detailfragen stellen und konkrete Einblicke zu Kosten, Leistungsverbesserungen und Projektablauf erhalten, die Unternehmen nicht öffentlich teilen. Sie können erfahren, wie stabil das System im Tagesbetrieb funktioniert, wie zufrieden der Kunde rückblickend ist und wie die Zusammenarbeit mit dem ERP-Anbieter über den Go-live hinaus funktioniert. Damit runden Sie Ihre Anbieterbewertung ab und schaffen die bestmögliche Entscheidungsgrundlage.

Ein ERP-System mag in der Theorie vielversprechend erscheinen, doch erst in der praktischen Anwendung zeigt sich, wie gut es wirklich funktioniert.
Dominik Doebrinck, Geschäftsleitung MELLERUD und GUS-OS-Anwender

6. Entscheidungsfindung und Vertragsverhandlungen

Konsolidieren Sie für die finale Entscheidung Ihre Daten aus Workshops, Lastenheft-Rückmeldungen und Referenzbesuchen. Neben der funktionalen Passgenauigkeit werden wirtschaftliche Faktoren eine zentrale Rolle spielen, vor allem die Total Cost of Ownership (TCO) über die geplante Laufzeit hinweg sowie der Return on Invest (ROI).

Bei den Vertragsverhandlungen mit Ihrem favorisierten Anbieter kommt es dann jedoch nicht nur auf den Preis an. Weitere kritische Aspekte, die Sie vertraglich absichern sollten:

  • Datenmigration und Betreuung während der Einführung
  • Service-Level-Agreements (SLAs)
  • Reaktionszeiten im Supportfall
  • Update- und Weiterentwicklungszyklen

Tipp: Holen Sie rechtzeitig juristischen Rat ein. Einige Variablen wie Lizenzmodelle, Datenschutz, Cloud-Nutzung und Haftung lohnen einen zweiten Blick.

7. Change-Management und Implementierung

Nach Vertragsunterzeichnung beginnt das eigentliche Einführungsprojekt. Lassen Sie sich von Ihrem ERP-Partner einen Projektplan erstellen mit klaren Meilensteinen, Verantwortlichkeiten und Zeitangaben. Nur so stellen Sie sicher, dass die gewünschten Ergebnisse in time und budget erreicht werden.

Für den Erfolg des ERP-Projekts ist allerdings nicht nur die technische Umsetzung von Bedeutung. Das Change-Management ist genauso wichtig, denn ein neues ERP-System kann mit tiefgreifenden kulturellen Veränderungen und Neuerungen im Arbeitsablauf einhergehen. Kommunizieren Sie Ihre Pläne und die erwarteten Vorteile frühzeitig, informieren Sie transparent über den Fortschritt und binden Sie die Anwender aktiv in das Projekt ein – damit schaffen Sie Akzeptanz und minimieren Widerstände.

Bieten Sie Mitarbeitenden rechtzeitig Schulungen an, damit sie nach der Einführung des ERP-Systems schnell wieder sicher und effizient arbeiten können.  Je nach Zielgruppe sind dabei verschiedene Formate denkbar – von Inhouse-Schulungen in Kleingruppen bis hin zu verpflichtenden E-Learning-Angeboten.

Fazit und Ausblick: Mit Plan und Weitsicht zum Erfolg

Die Auswahl und Einführung eines ERP-Systems ist kein Standardprojekt, sondern ein Meilenstein in der digitalen Transformation Ihres Unternehmens. Der Prozess erfordert daher strategische Weitsicht, Gründlichkeit und klare Kommunikation.

Nehmen Sie sich ausreichend Zeit, gehen Sie strukturiert vor und binden Sie alle Stakeholder früh in den Prozess ein, um die besten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Systemwechsel zu schaffen.

Der Markt für ERP-Systeme entwickelt sich stetig weiter. Cloud-ERP , künstliche Intelligenz oder IoT-Integration werden in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen. Stellen Sie sicher, dass Sie eine kluge und zukunftssichere Wahl treffen, damit Ihr Unternehmen optimal für den Erfolg in der nächsten Dekade gerüstet ist.

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